
Infobrief Dezember 2024
20. Dezember 2024Mein Einsatz in Khandwa – Zwei Wochen, die mein Leben verändert haben
Ich bin Niklas, 17 Jahre alt und Schüler an einem Gymnasium in Lübeck. In den Frühjahrsferien durfte ich zwei Wochen in Khandwa, einer der ärmsten Städte Indiens, für den Patenschaftskreis Indien e.V. mitarbeiten – beobachten, helfen, lernen.
Kurz vor der Abreise ging ich alles noch einmal durch: Kleidung? Gepackt. Zahnbürste? Eingepackt. Impfungen? Fünf an der Zahl – gegen alles Mögliche. Nur gegen Lepra gibt es keine Impfung, aber Medikamente. Genau gegen diese Krankheit kämpft der Patenschaftskreis Indien seit Jahren erfolgreich. Und dann ging es los – ab ins Flugzeug, Richtung Indien.
Khandwa war für mich ein Kulturschock. Die Stadt ist laut, staubig, überfüllt – und doch voller Leben. Ich wohnte in einem Kloster, das eng mit der Organisation zusammenarbeitet. Es war einfach, aber es gab funktionierende Sanitäranlagen und warmes Essen – mehr braucht es nicht.
Gleich zu Beginn half ich bei einer Blutspendeaktion. Wir schoben Betten in einen großen Raum, stellten Plakate auf und begrüßten die Spender. Jeder von ihnen könnte mit seiner Spende ein Leben retten – das wurde mir dort zum ersten Mal richtig bewusst.
Ein besonders prägender Moment war der Besuch eines Dorfes außerhalb der Stadt. Die Straßen dorthin waren kaum befahrbar, doch nach einer Stunde erreichten wir unser Ziel. Dort versorgt der Patenschaftskreis Indien kranke Menschen mit Vitaminen und Medikamenten. Die Fortschritte werden dokumentiert – denn viele Medikamente werden durch Spenden großer Firmen finanziert, die Transparenz erwarten.
Ich traf einen Mann mit einem riesigen Buckel am Hals. „Um ihn kümmert sich kaum jemand“, sagte ein Mitarbeiter. „Er gilt als Last für die Familie.“ Ich sah einen Menschen, der vor Schmerzen kaum sprechen konnte – und doch war er für mich alles andere als eine Last.
Eine andere Patientin saß aufrecht im Bett, sprach mit uns. Ich fragte: „Ihr geht es doch gut, oder?“ Der Mitarbeiter antwortete: „Jetzt ja. Als wir sie fanden, war sie unterernährt, gelähmt, halbtot. Die Vitamine haben ihr geholfen, sich wieder aufzurichten.“ Ich fragte weiter: „Kann sie das Zimmer verlassen?“ Schweigen. Dann: „Sie wird geliebt, aber sie bleibt hier. Die Familie kann sich nicht mehr leisten. Sie hätte früher Hilfe gebraucht.“
Diese Begegnungen haben mir gezeigt, wie privilegiert mein Leben ist – ein warmes Bett, ein gedeckter Tisch, ein sicherer Alltag.
Doch ich habe auch Hoffnung gesehen. Der Patenschaftskreis Indien hilft nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig. „Gib einem Menschen keinen Fisch – bring ihm das Fischen bei“, sagte einer der Projektleiter zu mir. Genau das tut die Organisation:
- Bildung als Schlüssel zur Zukunft: In Internaten wie St. Augustine erhalten Kinder aus den ärmsten Verhältnissen – oft aus marginalisierten Gruppen wie den Adivasi oder Dalits – Zugang zu Schulbildung, medizinischer Versorgung und drei warmen Mahlzeiten am Tag.
Bildung ist hier nicht nur Unterricht, sondern ein Weg aus der Armut.
- Stärkung von Frauen: Frauen lernen Nähen oder andere handwerkliche Fähigkeiten, um ein eigenes Einkommen zu erzielen. So werden sie unabhängig und können ihre Familien selbst versorgen.
- Selbsthilfegruppen: In kleinen Gemeinschaften helfen sich Menschen gegenseitig finanziell – etwa wenn eine Ernte durch den Monsun zerstört wurde. So müssen sie keine Kredite mit Wucherzinsen aufnehmen.
- Children’s Parlament: Kinder lernen demokratische Prozesse kennen und setzen sich für ihre Rechte ein. Sie lernen, für ihr eigenes Wohl zu wählen – nicht für kurzfristige Versprechen.
Khandwa war für mich eine prägende Erfahrung. Die Menschen dort sind oft glücklicher, als man es sich vorstellen kann – obwohl sie nicht wissen, ob sie den nächsten Tag überstehen. Ich habe viel gelernt und gesehen, wie Hilfe wirklich etwas verändert. Langfristig. Nachhaltig. Menschlich.
Danke, Patenschaftskreis Indien.
Herzliche Grüße
Marc Niklas Piske